Über fünfzig Jahre hat die alte Dame in ihrer Drei-Zimmer-Mietwohnung mitten in Köln gelebt. Ihre Tochter, Frau S., selbst fast im Rentenalter, ist in diesen Räumen großgeworden. Schon vor Wochen hat sie begonnen, ihr Elternhaus aufzulösen. Aber es ist schwierig, denn: „So richtig“, sagt sie von sich selbst, „komme ich erst in Schwung, wenn die Zeit knapp wird“.
Inzwischen drängt es wirklich. Ende des Monats muss sie die Wohnung besenrein an den Vermieter übergeben.
Bei meinem Besuch in der Wohnung ihrer Mutter sehe ich in jedem Zimmer offene Schranktüren und ein großes Durcheinander. Überall stehen unterschiedliche Dinge herum: Vasen neben Handtüchern, Ordner neben den ‚guten‘ Weingläsern, Bettwäsche unter ein paar Küchengeräten und die alte Kaffeemaschine neben dem Fernseher. Hier muss Ordnung her und zwar schnell.
Wie Frau S. geht es vielen. Die eigene Art, Herausforderungen in den Griff zu bekommen und das, was zu tun ist, passen nicht immer automatisch gut zusammen.
Wenn es Ihnen ähnlich geht, helfen Ihnen die folgenden Tipps hoffentlich dabei, die Menge der elterlichen Dinge in den Griff zu bekommen.
Tipp #1: Prüfen Sie, auf welche Art Sie normalerweise besondere Aufgaben bewältigen.
Überlegen Sie, wie Sie normalerweise mit großen Aufgaben umgehen. Sind Sie eher jemand, der/die gern in kurzen, intensiven Phasen arbeitet – oder sind Ihnen längere, ruhigere Einsätze lieber? Orientieren Sie sich daran, wenn Sie Ihr Elternhaus auflösen. Planen Sie als „Sprinter/in“ lieber eher kurze Aufenthalte im elterlichen Zuhause ein. Erledigen Sie dann außerdem immer nur eine einzige klar definierte Aufgabe (siehe hierzu Tipp #4 unten). Wenn Ihnen das nicht behagt, planen Sie stattdessen bewusst längere Phasen in Ihrem Elternhaus ein, in denen Sie in Ruhe Schritt für Schritt vorankommen.
Tipp #2: Lassen Sie sich beim Räumen von Ihren Erinnerungen leiten, wenn Sie genug Zeit haben.
Diese Vorgehensweise ist besonders gut geeignet für alle, die nicht – wie Frau S. – unter Druck stehen. Wenn Sie intuitiv spüren, das es wichtig für Sie ist, Raum für Trauer und Reflexion zu schaffen, folgen Sie diesem Gefühl – auch wenn es anfangs nicht so aussieht, als würden Sie vorankommen. Gerade wenn Sie ansonsten ein vielbeschäftigter Mensch sind, kann es sein, dass Ihre Trauer diesen „Freiraum“ in Ihrem Elternhaus zunächst braucht. Sie werden mit der Zeit merken, dass sich das ändert und Sie irgendwann beim Räumen dann besser vorankommen.
Tipp #3: Gehen Sie Raum für Raum vor, wenn Sie ein sehr entscheidungsfreudiger Mensch sind.
Wenn Sie spüren, dass Sie nicht nur generell, sondern auch in Ihrem Elternhaus leicht Entscheidungen fällen können, gehen Sie Raum für Raum vor. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Entscheidungen auch sofort umzusetzen. Sie werden bei jedem Aufenthalt sehen, was Sie bereits erreicht haben. Diese Vorgehensweise ist auch für viele Menschen gut geeignet, die eher längere, wiederkehrende Einsätze in ihrem Elternhaus planen können und damit auch gut klarkommen.
Wenn Sie dabei allerdings spüren, dass Ihr „Anfangs-Schwung“ schnell wieder nachlässt und Sie dann kaum etwas hinbekommen, kann es sein, dass Sie mit dem Sichten und Sortieren mit Tunnelblick besser vorankommen.
Tipp #4: Räumen Sie mit Tunnelblick, wenn Sie sich immer nur auf eine Gruppe von Gegenständen konzentrieren wollen.
Wenn Sie in der Regel eher mit kurzen, intensiven Einsätzen gut klarkommen, hilft Ihnen das Räumen mit „Tunnelblick“, in Ihrem Elternhaus den Überblick zu behalten. Sie treffen dabei Entscheidungen schrittweise, ohne dass die Menge der vorhandenen Dinge Sie währenddessen zur Verzweiflung treibt. Aber auch für alle anderen ist diese Vorgehensweise gut geeignet.
Konzentrieren Sie sich beim Sichten, Aussortieren und Weggeben mit Tunnelblick immer nur auf genau eine Art von Gegenständen. Suchen Sie z. B. im gesamten Haus nach Vasen. Tragen Sie sämtliche Exemplare an einem Ort zusammen und suchen Sie sich ggf. eine als Erinnerungsstück aus. Entscheiden Sie dann, was mit dem Rest passieren soll. Verpacken Sie ihn je nach Entscheidung z. B. für den Abtransport. Notieren Sie den Inhalt auf den Kisten und stapeln Sie diese bei Bedarf an einem Ort, wo sie nicht stören. Sie können Sie dann später irgendwann in Ruhe abtransportieren. Bis dahin jedoch wenden Sie sich der nächsten Art von Gegenständen zu.
Diese Vorgehensweise schafft Platz im Kopf, weil Sie immer nur eine Entscheidung fällen müssen – und dieses Thema dann abgeschlossen ist. Und: Das Räumen mit Tunnelblick macht oft auch Kompromisse zwischen Geschwistern möglich, wenn es um die Auswahl von Erinnerungstücken geht.
Tipp #5: Nutzen Sie auch den Tunnelblick der Anderen.
Das Räumen mit Tunnelblick macht es Ihnen leichter, Andere um Hilfe zu bitten – gerade, wenn Sie damit bisher gezögert haben.
Wenn Freunde oder Familienmitglieder genau wissen, worauf sie sich konzentrieren sollen, können sie Ihnen viel leichter und effektiver helfen. Während Sie sich mit einer bestimmten Gruppe von Gegenständen beschäftigen, tragen Ihre Helfer*innen gleichzeitig andere Gruppen von Dingen zusammen. Am Ende eines solchen Tages finden Sie dann gleich mehrere solcher Gruppen in Ihrem Elternhaus vor. Schauen Sie sich nacheinander alles in Ruhe an, und fällen Sie die notwendigen Entscheidungen – sofort oder am nächsten Tag, so wie es sich für Sie stimmig anfühlt. Diese Entscheidungen haben Sie dann hinter sich. Wenn Sie bzw. Ihre Helfer*innen nichts übersehen kann, müssen Sie bis zum Ende keine weiteren Entscheidungen mehr z. B. über Vasen fällen. Das fühlt sich auch nach jeder weiteren Entscheidung wieder gut an und erleichtert Ihnen damit das weitere Vorgehen spürbar.
Probieren Sie es aus!
(Foto: medienarche.de)
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